Dass wir mit der aktuellen Pandemie alle einen kollektiven Stresstest durchstehen müssen, ist die psychologische, sozialwissenschaftliche, therapeutische Lesart der Situation. Was sind unsere Stressmomente?
* das Wissen um eine unsichtbare und unkalkulierbare Gefahr, nämlich, sich mit dem Virus COVID-19 anzustecken.
* die Möglichkeit, unwissentlich zum Träger, zur Trägerin des Virus und damit zur Ansteckungsgefahr für andere zu werden.
* der Verzicht auf alltägliche und selbstverständliche soziale Kontakte, die uns in einen kontinuierlichen Austausch mit unserer Umwelt und unseren Mitmenschen setzen. Es fehlen damit, Freude, Bestätigung, Rückkopplungseffekte aller Art.
* für unsere Alten und Kranken, die wir schützen wollen: Isolation, Einsamkeit.
* für die einen: unter erschwerten Bedingungen mehr Aufgaben als sonst, zum Teil auch widersprüchliche Aufgaben, erfüllen zu müssen.
* für die anderen: nicht arbeiten dürfen oder aufgrund des Stillstands nicht arbeiten können, damit verbunden zum Teil existenzielle Einkommenseinbußen und finanzielle Unsicherheit für die Zukunft.
* Ohnmachtgefühle gegenüber einer bis in die Privaträume hineinregierenden Staatsmacht, die Fülle von Regeln und Verordnungen aktuell nachzuvollziehen, stellt eine Informationspflicht und damit eine weitere zusätzliche Aufgabe für alle dar.
Diese Stressfaktoren, kein Anspruch auf Vollständigkeit, betreffen uns mehr oder weniger gemeinsam. Und jede*r kann die Liste aus dem persönlichen Erleben weiterschreiben. – Doch was hilft gegen diesen Dauerstress, dem wir ausgesetzt sind?
Gute Nachricht: Alles, was uns sonst auch hilft, unser Stresslevel herunterzuregeln. D. h.
* Achtsamkeits- und Entspannungstechniken aller Art. Wer schon geübt hat, ist im Vorteil, aber es ist auch eine gute Zeit, etwas neues auszuprobieren.
* Bewegung an der frischen Luft. Bewegung drinnen. Bewegung.
* Soziale Kontakte übers Telefon oder andere Medien pflegen, auch wenn wir uns nicht treffen können. Feststellen, welche Kontakte und und Informationen, welche Art von Austausch uns gut tut, was uns eher belastet. Und auch das dem Gesprächspartner mitteilen. Was uns belastet, kann in einem guten Gespräch beleuchtet werden.
* Kulturelle Inspiration: wem die Ruhe fehlt, ein Buch zu lesen, findet ein reiches Angebot an Wohnzimmer-Konzerten, virtuellen Ausstellungsrundgängen, Hörspielen, die eigens für die Quarantäne produziert und online zu finden sind, ebenso wie die vielen hochkarätigen Beiträge in den Mediatheken, die „immer schon“ da waren.
* Kulturelle Praxis: Singen, musizieren, malen, schreiben, spielen …
Wie wir mit diesen selbst gesteuerten Erlebnissen unser Stresserleben und unser Immunsystem beeinflussen, erklärt der Psychoneuroimmunologe Prof. Dr. Christian Schubert im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk, gut nachvollziehbar und mit vielen Beispielen.
Kraft sammeln, um nach der akuten Phase der Viruseindämmung gemeinsam auszuprobieren und zu diskutieren, wie wir miteinander zusammenleben wollen.